Najeneun deopgo bameneun chupgo (Hot in Day, Cold at Night) von Park Song-yeol |
|
|
Forum |
 |
|
|
|
Mehrere wiederkehrende Motive zeichnen sich ab, zum Beispiel der Versuch, den dem Kino eigenen Anthropozentrismus zu überwinden. In Raul Domingues‘ Terra que marca (Striking Land) schaut die Kamera meist auf den Boden, auf Ackerfurchen, Wasserrinnen oder junge Pflanzen. Von Landidyll kann keine Rede sein, vom Sog genau beobachteter Materie umso mehr. Ähnliches gilt für Geographies of Solitude. Jacquelyn Mills, eine Experimentalfilmerin aus Kanada, hat Sable Island, eine Insel im Atlantik, bereist und dort Zoe Lucas begleitet, die seit Jahrzehnten ehrenamtlich Flora und Fauna der Insel katalogisiert. Ins 16mm-Filmbild setzt Mills vor allem Wildpferde, Wellen, Süßwassertümpel und bizarr verformten Plastikmüll. Manchmal vergräbt sie unbelichtetes Filmmaterial zwischen Wurzeln und montiert es dann in ihren Film. Der Insel mit ihrer spezifischen Topographie kommt so eine Art Ko-Autorschaft zu.
Der Auswahlprozess für das 52. Berlinale Forum hat eine klare Erkenntnis hervorgebracht: So sehr die Pandemie das gesellschaftliche Leben lähmt, so wenig verlieren Filmemacher*innen weltweit ihren Einfallsreichtum und ihre Lust an der künstlerischen Arbeit. Die ausgewählten Arbeiten – im Hauptprogramm sind es 27 Langfilme, im Forum Special 14 Lang- und Kurzfilme – stellen dies eindrucksvoll unter Beweis.
Ein zentrales Motiv ist auch die Pandemie. Gustavo Vinagre schaut in Três tigres tristes (Three Tidy Tigers Tied a Tie Tighter) queeren Menschen in São Paulo dabei zu, wie sie dem Virus und dem politischen Versagen ihrer Regierung trotzen. Zheng Lu Xinyuan, eine junge Regisseurin aus China, filmt in ihrem persönlichen Essay Jet Lag unter anderem, wie sie von Wien nach China reist. Ganzkörper-Schutzanzüge im Flugzeug und Absperrbänder vor der Zimmertür im Quarantäne-Hotel lassen an Tatorte oder Seuchen-Horrorfilme denken, doch die Gymnastik auf dem Hotelbett durchkreuzt diese Fährte.
Als weiteres Motiv tritt zutage, dass mehrere Regisseur*innen nach adäquaten, gegenwärtigen Formen des politischen Kinos suchen. Jonathan Perel aus Argentinien und Jeronimo Rodriguez aus Chile steuern mit Camuflaje (Camouflage) und El veterano (The Veteran) Essayfilme bei, die sich mit vergangenen, jedoch heute noch latenten politischen Verwerfungen in ihren Ländern beschäftigen. Dabei knüpfen sich direkte Verbindungen zu anderen, bereits angekündigten Filmen wie Nuclear Family von Erin und Travis Wilkerson, in dem es wie in El veterano um Atombomben und die Residuen des Kalten Kriegs geht. |
|