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Der chinesische Titel sagt im Prinzip fast alles. Das Paar im Film lebt am Rand der Gesellschaft, sie überleben, indem sie die orthodoxe Gesellschaftsordnung herausfordern. Ich habe mir nicht vorgenommen, sie zu verteidigen, sondern wollte eher ihr Dilemma herausstellen. Es erinnert mich in gewisser Weise an das erste Jahrzehnt meiner Karriere, als es noch riskant war, Filme zu machen, in denen man seine eigene Wahrheit und die Wahrheiten über die Gesellschaft ausdrückt.
Und so habe ich mich ans Drehbuchschreiben gemacht, als ob ich über meine eigene emotionale Reise schreiben würde: meine verlorene Jugend und meine Zukunftsfantasie, zu leben, zu lieben und frei zu sein. Im ersten Teil des Films steht Jianghu für die Konfl ikte zwischen den rivalisierenden Gruppen der Unterwelt in Shanxi. Er zeigt auch das Krisengefühl einer älteren Generation angesichts der jüngeren. Und es ist eine Geschichte wie im Western, die in den trostlosen Landschaften und dem kalten Klima der Bergbaugegend spielt. Der zweite Teil des Films spielt am Fluss Jangtse (auf Chinesisch „Chang Jiang“), dort, wo das Drei-Schluchten- Dammbauprojekt ganze Orte zum Verschwinden bringt. Der letzte Teil bringt uns zurück nach Shanxi, von wo der männliche Protagonist Bin sich auf eine neue Reise begibt, weil er das Jianghu braucht – die Orte, die sein inneres Drama zum Leben erwecken. Dies ist auch, wohin es Qiao zieht.
Es gibt einen Ort, den Qiao nie erreicht, und das ist Xinjiang in Chinas tiefstem Nordwesten. Vielleicht hat jeder einen solchen Ort, den man nie erreicht, nicht weil er zu weit weg ist, sondern weil es so hart ist, ein neues Leben zu beginnen. Wir können uns nicht von unseren emotionalen Fesseln lösen, von den Lieben, Erinnerungen und Routinen, die uns am Höhenfl ug hindern. Diese Bande sind wie die Schwerkraft, die uns an diesen Planeten bindet. Ich habe jetzt 48 Jahre Lebenserfahrung, und ich möchte sie nutzen, um eine Liebesgeschichte im heutigen China zu erzählen, das gewaltige und dramatische Veränderungen erlebt hat. Ich habe das Gefühl, dass ich genauso auch selbst gelebt habe – und es immer noch tue. Jia Zhang-Ke, April 2018 |