Als wir damals YELLA drehten, lasen wir in einer Prignitzer
Tageszeitung, dass die Polizei einen Vietnamesen festgenommen hatte.
Er stand neben seinem defekten Wagen am Straßenrand. Achsbruch, Hinterachse.
Der Kofferraum voller Münzgeld, das reichte für die Festnahme. Es stellte
sich heraus, dass dem Mann 45 Imbißstuben gehörten, dass das Geld im
Kofferraum Wechselgeld und Tageseinnahmen waren. Er hatte sich ein
Geschäft aufgebaut, ein Haus gekauft, etwas außerhalb, in einem Wald,
fernab anderer Häuser, für sich und seine Familie. Die Prignitz ist
eine sterbende Gegend. Es gibt keine Produktion, keine Arbeit. Der
Vietnamese hat der sterbenden Gegend ein Geschäft, ein Haus, eine Heimat
abgetrotzt. „Heimat-Building“, das ist etwas, was mich immer interessiert
hat. Überhaupt gefallen mir Leute, die den Verhältnissen etwas abtrotzen.
Überall um sie herum ist Niedergang und Auflösung und Komplexität,
aber sie machen weiter. Oft ziehen sich die „Heimat-Builder“ zurück.
Sie „verinseln“. Sind allein. Verinseln, weil mir immer der Robinson Crusoe einfällt:
die Handelslinien, der moderne Kapitalismus und die Sehnsucht der Menschen, das
alles zu verstehen, noch einmal von vorne anzufangen, eine Rekonstruktion. Und
das macht der Robinson: er baut die Welt noch einmal. Als andere Menschen und
Freundschaft und Liebe in diese Welt kommen, explodiert sie. Jetzt, wo der Film
fertig ist und wir ihn mit etwas Abstand sehen konnten, waren wir überrascht.
Es gibt keine Szene, in der nicht das Geld ist: Als Bild, als Tauschwert, als
Betrug und als Mittel zur Anschaffung. Ich hatte das Gefühl, dass das Geld sich
hineingeschlichen hat, in den Film, in die Bilder, zwischen die Figuren. Dass
es die Geschichte schmiert. Und was mir noch auffiel: Es sind die Männer, die
dieses Heimat-Building betreiben. Dafür brauchen sie das Geld und die Frau. „Man
kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat“, sagt Laura. Sie will sich niemanden
kaufen. Sie braucht kein Heim. Sie braucht das Geld, um unabhängig zu sein. Das
passt den Männern nicht. So kommt das Verbrechen in die Geschichte. Christian
Petzold |