
Mein Vater, der Gastarbeiter |
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Forum:
Das Denken braucht die Bilder |
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Die Spielfilme des 53. Berlinale Forums lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen: Zum einen gibt es die, die ihre Narrationen entschlacken, dramatische Wendungen umgehen und der Ruhe von Kamera und Montage eine große Rolle beimessen, zum anderen die, deren Herz fürs Absurde schlägt. Zu diesen gehört Melisa Liebenthals sanfte Komödie El rostro de la medusa (The Face of the Jellyfish), in der eine junge Frau ganz buchstäblich einen Gesichtsverlust erleidet und sich fortan viele Fragen zu Identität, Selfies und biometrischen Verfahren stellt. Zu jenen zählt der japanische Spielfilm Subete no Yoru wo Omoidasu (Remembering Every Night) von Yui Kiyohara, der drei Frauen in einer Vorstadt bei ihren Alltagsdingen zuschaut – ein Film wie ein Sommertag, hell, freundlich und manchmal wie von kühlem Wind durchweht.
Essayistische Filme geben dem Forum schließlich seine besondere, unverwechselbare Gestalt: Viera Čákanyová macht sich in Poznámky z Eremocénu (Notes from Eremocene) Gedanken zum kommenden Erdzeitalter und umarmt dabei die Möglichkeiten digitaler Scan-Technik. Vincent Dieutre reist in This Is the End nach Los Angeles und lässt sich, aller Kulturkritik zum Trotz, leidenschaftlich auf die leere Stadt, auf deren begriffsgeschichtliche Kraftfelder und auf einen Lover aus der Vergangenheit ein. Auch Allensworth von James Benning erkundet einen Ort in Kalifornien. Wo heute leere Landschaft, viel Himmel, Holzscheunen und ein paar Wohnhäuser zu sehen sind, befand sich Anfang des 20. Jahrhunderts ein Zentrum afroamerikanischer Emanzipation. Deren Erbe spürt der Regisseur in zwölf langen, den Kalendermonaten zugeordneten Einstellungen nach. Hier wie in anderen essayistischen Arbeiten zeigt sich, wie gut das Kino und die Reflexion zusammenpassen: Das Denken braucht die Bilder, so wie die Bilder das Denken brauchen.
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