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Undine ist die verratene Wasserfrau. In der alten Mythologie lebt sie in einem Wald, in einem See. Ein Mann, der eine Frau unglücklich liebt, dessen Liebe nicht erwidert wird und aussichtslos ist und der nicht mehr weiß, wohin mit sich, seinen Ge-fühlen, der unfassbar verzweifelt ist, der kann in den Wald, an das Ufer des Sees gehen und Undi-nes Namen rufen. Sie wird kommen.
Und sie wird ihn lieben. Diese Liebe ist ein Vertrag. Nie darf sie verraten werden. Wenn sie verraten wird, dann muss der Mann sterben. Nun ist es so, dass der, der liebt und geliebt wird, leicht und frei und auch wieder liebens- und begehrens-wert erscheint. In der Mythologie interessiert sich plötzlich die aussichtslos Angebetete wieder für den Mann. Der Mann verlässt Undine. Er wird die andere, die Ursprüngliche, heiraten. In der Hochzeits-nacht betritt Undine das Schlafzimmer, umarmt den Mann in einer Blase aus Wasser, in der er ertrinken wird.
„Ich habe ihn totgeweint!“ wird sie den her-beieilenden Dienern entgegenstammeln, bevor sie im Wald, im See, verschwinden wird.Unsere Undine ist eine Stadthistorikerin in Berlin. Sie gibt Führungen in der Senatsstelle für Stadt-entwicklung. Sie ist gerade verlassen, verraten worden. Von einem, der Johannes heißt.Eigentlich, so will es der Mythos, müsste sie sich rächen, an Johannes. Ihn töten. Undine wehrt sich gegen den Mythos. Sie will nicht zurück, in den Fluch, in den Wald, in den See. Sie will nicht gehen.Sie will lieben. Sie lernt einen anderen kennen. Von dieser Liebesgeschichte erzählt „Undine“. Christian Petzold |
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