Berlin,
 
LICHTER

ein Film von Hans-Christian Schmid im Wettbewerb der Berlinale 2003 ausgezeichnet mit dem Preis der internationalen Filmkritik FIPRESCI eine Claussen+Wöbke Filmproduktion eine Co-Produktion mit dem ZDF in Zusammenarbeit mit arte Land/Jahr: D 2003 Regie: Hans-Christian Schmid Darsteller: Ivan Shvedoff, Anna Janowskaja, Sergej Frolov, Johannes Hitzblech Drehbuch: Hans-Christian Schmid und Michael Gutmann Min. 105 FSK:

Fahrer: Aussteigen! Wir sind da! Ich sage es nur einmal. Hört gut zu! Ihr versteckt euch jetzt den ganzen Tag im Wald. Wenn es dunkel wird, geht ihr die Straße bis zu den ersten Lichtern runter. Beim ersten Haus links werdet ihr erwartet. Und von dort bringt man euch in die Stadt.
Kolja: Ist das Berlin?
Fahrer: Ja, das ist Berlin.

Inhalt

Zwei Länder, zwei Orte, ein Fluss. Die Oder trennt nicht nur das deutsche Frankfurt vom polnischen Slubice, sondern ganze Welten. Menschen, egal ob arm oder reich, suchen hier ihr Glück - und stoßen dabei oft an ihre Grenzen. Zum Beispiel der junge Zigarettenschmuggler Andreas, der durch eine unerwiderte Liebe zum Verräter wird.

Oder Ingo, der Pächter eines Matratzen-Discounts, der versucht seinen Laden mit allen Mitteln vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Antoni, ein polnischer Taxifahrer, der dringend Geld für das Kommunionskleid seiner Tochter braucht. Da sind Kolja, Anna und Dimitri, drei Ukrainer, die um jeden Preis in den Goldenen Westen wollen.

Sonja, eine deutsche Dolmetscherin für russische Flüchtlinge, die es einfach wagt, das Richtige zu tun. Und Philip, ein junger Architekt aus dem Westen, der zu spät begreift, dass man für sein Glück auch Verantwortung übernehmen muss.

LICHTER ist ein Film über Menschen, die - durch ihr Schicksal für zwei Tage untrennbar miteinander verbunden - stehlen und betrügen, lieben und helfen, hoffen und verzweifeln. Mit all ihren Fehlern und Schwächen, aber auch mit guten Vorsätzen und ihrer ganzen Kraft versuchen sie, sich in dieser verwirrenden Welt zu orientieren und ihren Platz zu finden: manche im Licht und andere in der Dunkelheit...



Hans-Christian Schmid über LICHTER

"Liegnice statt London" lautete die Überschrift eines Zeitungsartikels, der vor zwei Jahren den Ausschlag für mich gab, mich näher mit der Situation an der deutsch-polnischen Grenze zu beschäftigen.
Da war die Rede von Menschen, denen man versprochen hatte, sie seien kurz vor London, als man sie aus dem Lastwagen steigen ließ, in dem man sie durch die Ukraine und Polen transportiert hatte.

m Tatsächlich setzte man die Gruppe in einem Waldstück in Polen ab, kurz vor der Grenze nach Deutschland. Die deutsche Ostgrenze ist nach der Wiedervereinigung zu einer Linie zwischen zwei Welten geworden, dem reichen Westen und dem armen Osten. Die wohlhabenden Länder des Schengen-Gebietes, in dem es keine Binnengrenzen mehr gibt, schotten sich gegen die weniger wohlhabenden Länder ab. Und damit auch gegen Menschen, die teilweise große Risiken eingehen, um ihre eigene Situation nur ein kleines Stück zu verbessern, die in den Ländern, aus denen sie stammen, weder für sich noch für ihre Kinder eine Zukunft sehen.

Probleme gibt es aber in der Grenzregion nicht nur wegen der Flüchtlinge - auch zwischen Deutschen und Polen sorgt die Dynamik von Reich und Arm für soziale Spannungen. Als Michael Gutmann und ich im Frühjahr 2001 zum ersten Mal in Frankfurt an der Oder und im gegenüberliegenden Slubice für LICHTER recherchiert haben, erzählte uns ein Journalist der Märkischen Oderzeitung: "Mit den Ostdeutschen, das ist wie auf dem Hühnerhof. Da gibt es eine Hackordnung und das vorletzte Huhn hackt das letzte Huhn immer am meisten. Die Ostdeutschen, die fühlen sich wie das vorletzte Huhn.
m Und die Polen, die sind das letzte Huhn." Während jedoch die Polen sich dem Handel mit dem neuen Nachbarn geöffnet haben und Slubice eine florierende Kleinstadt ist, verliert das gegenüberliegende Frankfurt jährlich 2.000 Einwohner.

"Die, die hier geblieben sind und Kinder haben, die mit der Schule fertig werden", meinte der Journalist, "die drücken den Kindern 10.000 Mark in die Hand und sagen: Geht irgendwo hin, macht euer Glück, aber nicht hier in Frankfurt, hier passiert sowieso nichts mehr."
Die Polen leben mit ihrem Gesicht zur Grenze, die Deutschen kehren ihr den Rücken zu.

Viele von ihnen betreten polnisches Gebiet nur dann, wenn sie günstig tanken, sich billig die Zähne machen, oder die Dienste einer preiswerten Prostituierten in Anspruch nehmen wollen. Slubices Stadtbild ist geprägt von Wechselstuben, Tankstellen, kieferorthopädischen Praxen und Nachtclubs. Die Protagonisten von LICHTER haben alle mehr oder weniger direkt mit dieser Grenze zu tun. Sie haben sich damit abgefunden, hier zu leben, sind auf der Durchreise, oder wollen einfach nur von hier weg. In LICHTER geht es um unterschiedliche Menschen, die alle dadurch verbunden sind, dass ihre Geschichten an einem Ort innerhalb von 48 Stunden spielen. Die Figuren müssen kämpfen, immer weiter kämpfen und geben trotzdem nicht auf. Egal ob es um Kleinigkeiten wie ein Kommunionskleid oder - wie im Falle der Flüchtlinge aus der Ukraine - um Leben und Tod geht. Ich empfinde für diese Menschen, die so für ihr Glück kämpfen, eine sehr große Sympathie.



"Die Filme, die man selbst am liebsten im Kino sehen würde"

Auszüge aus einem Gespräch Martin Blaneys mit Hans-Christian Schmid für ‚Screen International’ im Rahmen der Berlinale

Was war der Auslöser für diese Geschichte?

Ich bin vor drei Jahren nach Berlin gezogen – auch weil ich das Bedürfnis hatte, mich mehrmit dem Ost-West-Gegensatz zu beschäftigen. Man ist von Berlin aus in einer Stunde inPolen - aber ich kenne kaum jemanden, der da schon war. Der Kontakt zum Nachbarland beschränkt sich in den meisten Fällen darauf, dass man sich eine polnische Putzfrau leistet. Konkret war der Auslöser dann ein Zeitungsbericht über pakistanische Flüchtlinge, die man im deutsch-polnischen Grenzgebiet abgesetzt hatte.

Warum habt ihr euch für eine Struktur von lose miteinander verwobenen Geschichten entschieden?

Mich hat schon seit Längerem gereizt, dieses für mich neue Erzählmuster auszuprobieren. In LICHTER bot sich die Gelegenheit, weil Michael Gutmann und ich etwas über zwei Orte - Frankfurt/Oder und Slubice - erzählen wollten, an denen sich die Wege mehrerer Figuren kreuzen.

Warum habt ihr LICHTER mit der Handkamera gedreht?

Der Einsatz der Handkamera führt zu Bildern, die meiner Vorstellung eines realistischen Erzählansatzes entsprechen. Sie vermittelt einen authentischen Eindruck. Dabei ist die Kamera weder bewusst verwackelt, noch bewegt sie sich in ruhigen Szenen ohne Grund - sie reagiert einfach auf das, was die Schauspieler ihr anbieten. Wie im Dokumentarfilm versucht der Kameramann, das Geschehen so gut es geht zu erfassen. Er muss schnell und wachsam sein, denn sonst kann es sein, dass etwas unwiederbringlich verloren ist. Für Schauspieler, die von der Technik am Drehort in ihrem Spiel oft zu sehr eingeschränkt sind, bedeutet diese Art zu arbeiten eine sehr Freiheit.

Wie kamst du mit der Mehrsprachigkeit am Set und im Film klar?

Wir haben am Set in erster Linie englisch gesprochen. Die Verständigung mit Bogumil Godfrejow, dem polnischen Kameramann, klappte so problemlos. Auch Anna Janowskaja und Sergej Frolov aus Moskau sprechen gut englisch. Für den Film war für mich klar, dass wir die Passagen in denen polnisch oder russisch gesprochen wird, untertiteln. Für mich gibt der Klang der fremden Sprachen dem Film einen eigenen Reiz.


Hans-Christian Schmid - Regie und Drehbuch

Hans-Christian Schmid wurde 1965 in Altötting geboren und lebt heute in Berlin. Nach dem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film, München, war er Stipendiat der Drehbuchwerkstatt München und absolvierte im Rahmen des DAAD ein Drehbuchstudium an der University of Southern California in Los Angeles.
1989 drehte er seinen ersten Film "Sekt oder Selters", eine Dokumentation über süchtige Automatenspieler, die mit dem Preis der unabhängigen Filmtage in Osnabrück ausgezeichnet wurde. Es folgte, nach dem Kurzfilm "Das lachende Gewitter", der Dokumentarfilm "Die Mechanik des Wunders".

1994 drehte er das Fernsehspiel "Himmel und Hölle" mit Hannelore Hoger und Katja Riemann. Mit den Produzenten Jakob Claussen und Thomas Wöbke verbindet Hans-Christian Schmid eine langjährige Zusammenarbeit: Bereits "Himmel und Hölle" und sein Kinodebüt "Nach fünf im Urwald" (1996) - für das er Franka Potente entdeckte - wurden von der Claussen+Wöbke Filmproduktion produziert.

Fast ebenso lange besteht die Zusammenarbeit mit Michael Gutmann als Autorenteam, die mit "Nach fünf im Urwald" begonnen hat. Für ihr Drehbuch zu "Nur für eine Nacht" (Regie: Michael Gutmann / 1997 / TV) erhielten die beiden den RTL-Fernsehpreis Goldener Löwe 1997 und den Adolf-Grimme-Preis 1997. "23" wurde 1999 in der Kategorie "Bester Film" mit dem Deutschen Filmpreis in Silber ausgezeichnet.

August Diehl erhielt den Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller, sowie, ein Jahr zuvor, den Bayerischen Filmpreis für den besten Nebendarsteller. Hans-Christian Schmid erhielt den Hypo-Regie-Förderpreis beim Münchner Filmfest 1998.
Mit "Crazy" brachte Hans-Christian Schmid 2000 die Verfilmung von Benjamin Leberts Romanvorlage sehr erfolgreich in die Kinos und entdeckte dabei u. a. zwei bemerkenswerte Nachwuchsschauspieler: Robert Stadlober und Tom Schilling, die für ihre Rollen in "Crazy" mit dem Bayerischen Filmpreis 2001 für die besten Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet wurden. Bei "Herz im Kopf" (Regie: Michael Gutmann / 2002 / Kino) arbeiteten Michael Gutmann (Regie und Drehbuch) und Hans-Christian Schmid (Co-Autor) wieder mit Tom Schilling zusammen.

Die Filmografie (Auswahl):

„Sekt oder Selters“ (Buch und Regie / 1989 / Dokumentarfilm)
„Das lachende Gewitter“ (Buch und Regie / 1991 / Kurzfilm)
„Die Mechanik des Wunders“ (Buch und Regie / 1992 / Dokumentarfilm)
„Himmel und Hölle“ (Buch und Regie / 1994 / TV)
„Nach fünf im Urwald“ (Buch und Regie / 1996 / Kino)
„Nur für eine Nacht“ (Buch, als Co-Autor von Michael Gutmann / 1997 / TV)
„23“ (Regie und Buch, mit Co-Autor Michael Gutmann / 1998 / Kino)
„Crazy“ (Regie und Buch, mit Co-Autor Michael Gutmann / 2000 / Kino)
„Herz im Kopf“ (Buch, als Co-Autor von Michael Gutmann / 2002 / Kino)
LICHTER (Regie und Buch / mit Co-Autor Michael Gutmann / 2003 / Kino)

BESETZUNG

Kolja..................................................................Sergej Frolov
Anna............................................................Anna Janovskaja
Andreas............................................Sebastian Urzendowsky
Katharina .............................................................Alice Dwyer
Marko .................................................................Martin Kiefer
Maik..........................................................................Tom Jahn
Ingo ...............................................................Devid Striesow
Simone............................................................Claudia Geisler
Antoni ...............................................Zbigniew Zamachowski
Milena ........................................................Aleksandra Justa
Marysia ..............................................Marysia Zamachowska
Sonja .................................................................Maria Simon
Christoph...........................................................Janek Rieke
Philip ................................................................August Diehl
Beata ................................................................Julia Krynke
Klaus ............................................................Herbert Knaup
Wilke .............................................................Henry Hübchen
Sozialarbeiter...........................................Johannes Hitzblech


STAB

Hans-Christian Schmid.............................Regie und Drehbuch
Michael Gutmann......................................................Drehbuch
Hansjörg Weißbrich.......................................................Schnitt
Bogumil Godfrejow.......................................................Kamera
Christian M. Goldbeck..............................................Szenenbild

Links zum Film

http://www.bavaria-film-international.de/
http://www.arte-tv.com/
Regisseur Hans-Christian Schmid zu "Lichter" Blickpunkt Film
http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-fazit/1497.html
JULI.03