Ich hatte bei diesem Drehbuch immer den Verdacht, dass der Autor diese Idee, dieses Konzept im Kopf hatte: „Unglückliche Familie - Unfall - Schuld - Vergebung - Glück“. Das fand er interessant, hat es so hingeschrieben, aber er hat es nicht so richtig auf die Reihe gekriegt, dass es psychologisch funktioniert. Das machte dieses Buch ziemlich fragil. Rätselhaft, voller Leerstellen, in die ich als Regisseur reingehen konnte. Am besten gelingen mir immer die Filme, mit deren Drehbüchern ich die ganze Zeit verzweifelt kämpfe.Sein Buch hatte eigentlich einen anderen Titel: „Geschehen ist geschehen“. Das war zumindest die deutsche Übersetzung. Auf Dänisch klingt das ja vielleicht ganz gut, aber auf Deutsch... Dann kam Kim mit dem Titel „Die Gnade der Anderen“. Den hät8 te ich auch genommen, aber er erinnerte zu sehr an DAS LEBEN DER ANDEREN. Ich habe ein Faible für etwas wuchtige Titel, die schwer im Raum stehen, die auch von vornherein eine Provokation darstellen. Sie rammen sich wie ein Nagel in den Kopf der Zuschauer und sagen: Guck mal den Film unter dieser Perspektive: DER FREIE WILLE! THIS IS LOVE! GNADE! Das macht was mit einem beim Gucken. Und das macht auch etwas mit einem beim Machen.

Es ist komisch, man hat in diesen nüchtern technokratischen Zeiten irgendwie immer so ein bisschen Angst vor dieser Art von Poesie. Die ist tatsächlich sehr verpönt und man merkt es auch an einem selber. Ich habe mit dem Kameramann viele Vorgespräche geführt und wir waren uns einig: Wir dürfen das nicht zu schön fotografieren. Das darf nicht zu selbstzweckhaft werden. Als wir dann in Hammerfest waren, habe ich dieses eigentlich überflüssig schlechte Gewissen einfach über Bord geworfen. Diese Stimmungen waren da und es war einfach grandios. Und dann hieß es: Jetzt fangen wir das auch ein. Das wäre ja ein Verbrechen, das nicht zu filmen. Also filmen wir es. Das war halt ein sehr schöner Kontrast zwischen diesem Mikrokosmos Familie, der ganz kleinen, intimen Geschichte und diesen Mars- oder Mondlandschaften, die uns umgaben und dieses irre Licht.  Matthias Glasner