Der
Yangtze ist mit fast 6.300 Kilometern
Länge, nach dem Nil und dem Amazonas,
der drittlängste Fluss der Welt, und
der längste in Asien. Die Quelle an
einem Gletscher in den Dangla Bergen
liegt über 5.000 Meter hoch im zentralen
Himalaya Gebirge, wo der Fluss von
den dort ansässigen Tibetern Drichu
genannt wird. Zunächst strömt der Yangtze
nach Osten, und dann eine lange Strecke
mit starkem Gefälle vorbei an schneebedeckten
Gipfeln in südliche Richtung, parallel
zum Mekong. Bei Shigu in der Provinz
Yunnan biegt er ab in die entgegengesetzte
Richtung, fließt dann nach Osten durchs
Rote Becken mit der Industriemetropole
Chongqing und strömt weiter in östliche
Richtung durch das Yangtze Stromgebiet
bis zur Küste bei Shanghai, wo er ins
Ostchinesische Meer mündet. Die Zeiten
des Yangtze als unberechenbarer Schicksalsfluss,
der Leben schenkte und nahm, sind weitgehend
überwunden. Heute dominiert menschliche
Technik den Strom.
Die
Vorgeschichte des Drei-Schluchten-Staudamms
geht zurück bis in die 1920er Jahre,
als chinesische Nationalisten unter
Leitung von Yat-sen Sun über den Staudammbau
diskutierten. Mitte der 40er Jahre
beauftragen die Chinesen amerikanische
Wasserbauingenieure des US Bureau of
Reclamation mit Dammplanungen für das
regelmäßig von Überschwemmungskatastrophen
heimgesuchte Flussgebiet. Wegen des
Bürgerkrieges in China wurden die Pläne
aber nicht realisiert. 1953 kam die
Staudammplanung wieder in Gang, als
der chinesische Diktator Mao befahl,
geeignete Standorte für den Dammbau
ausfindig zu machen. Das verheerende
Hochwasser 1954, bei dem mindestens
33.000 Menschen ums Leben kamen, führte
im folgenden Jahr zu einer detaillierten
Planung mit Unterstützung sowjetischer
Fachleute, die 1960 zurückberufen wurden,
weil sich die Verstimmung im Verhältnis
der beiden Staatschefs Mao und Chruschtschow
zueinander verschärft hatte. 1963 kam
es zum Abbruch der staatlichen Beziehungen
zwischen den beiden Großmächten. 1966
bis 1969 führte die so genannte "Kulturrevolution" zum
kompletten Abbruch der Staudammplanung
in China. Auch nach Maos Tod kam der
Bau des Drei-Schluchten-Staudamms wegen
technischer und finanzieller Probleme
sowie regionaler Interessenkonflikte
zunächst nicht zustande. Erst Chinas
Premierminister Peng Li konnte die
Errichtung des weltweit größten Staudamms
1992 durchsetzen - mit einer zwei Drittel
Mehrheit im Nationalen Volkskongress,
der üblicherweise einstimmig votiert.
Wie umstritten das Projekt war (und
noch immer ist), zeigt auch, dass Präsident
Zemin Jiang nicht mit Li bei der offiziellen
Zeremonie zum Start des Bauvorhabens
auftrat.
Die
Befürworter des Prestige-Projekts wollen
folgendes erreichen: Durch Kontrolle des
Wasserdurchflusses soll die Gefahr von
Hochwasserkatastrophen gebannt werden.
Bereits seit mehr als 1000 Jahren und seit
dem 15. Jahrhundert verstärkt wurden Deiche
entlang des Yangtze und seiner Nebenflüsse
errichtet. Trotzdem verzeichneten chinesische
Historiker vom 2. bis zum 20. Jahrhundert
weit über 1000 weitflächige Überschwemmungen
in Folge der jährlichen Monsunregen, und
178 extreme Flutwellen (sechs davon in
den 1990er Jahren) die nicht nur zu massiven
Sachschäden führten, sondern massenweise
Todesopfer forderten. In den Jahren 1931
und 1935 beispielsweise ertranken nach
offiziellen Angaben jeweils weit über 140.000
Menschen in den Sturzfluten, wahrscheinlich
starben wesentlich mehr.
Das
weltweit größte Wasserkraftwerk erzeugt
mit 26 Turbinen – und Generatorenanlagen
und einer installierten Gesamtleistung
von 18200 Megawatt soviel Strom wie 15
herkömmliche Kernkraftwerke. Der Stausee
ist 600 Kilometer lang und reicht natürlich
auch in die angrenzenden Nebenflüsse hinein.
Damit soll die Schiffbarkeit erheblich
verbessert und die wirtschaftliche Entwicklung
in der Region gefördert werden. Außerdem
erwartet man, dass die Kontinuität des
Wasserabflusses auch zu einer Verbesserung
der Schiffbarkeit unterhalb des Stausees
führt; die Landwirtschaft würde vom geregelten
Wasserzufluss für die Bewässerung profitieren.
Die jetzige Stauhöhe der Wassermassen am
Damm beträgt 156,5 Meter. Für die Jahre
2008/2009 ist die Anhebung auf 175 Meter
geplant. Danach soll der Höchststand in
jedem Jahr vom Herbst bis zum Frühling
hin langsam auf 145 Meter abgesenkt werden.
Der Damm ist 185 Meter hoch und 2,3 Kilometer
breit. Über eine noch zu errichtende Schleuse
erreichen Schiffe das jeweils andere Flussniveau.
Chinesische und ausländische
Gegner
des Projekts argumentieren folgendermaßen:
Die
Überflutungskontrolle und eine vergleichbare
Stromerzeugungskapazität hätte sich preiswerter
mit mehreren kleineren Staudämmen erreichen
lassen, ohne die Gefahr eines möglichen
Superdammbruchs. Abgesehen von den gewaltigen
Baukosten für den Drei-Schluchten-Staudamm
sind auch die notwendigen demografischen
Anstrengungen und die Umweltschäden enorm.
Rund 500 Städte, Dörfer und Siedlungen
verschwinden in den aufgestauten Fluten.
1,2 bis 1,9 Millionen Menschen, die Schätzungen
schwanken, verlieren ihr Zuhause und müssen
umgesiedelt werden, oft gegen ihren Willen,
nicht zuletzt weil sie mit höheren Mietzahlungen
rechnen müssen. Malerische Naturlandschaften
gehen ebenfalls unter, zusammen mit zahllosen
architektonischen Sehenswürdigkeiten und
archäologischen Ausgrabungsstätten. Mehr
Industrie oberhalb des Damms, so wird befürchtet,
führt zur Verschlechterung der Wasserqualität.
In den aufgestauten Nebenflüssen ist das
schon jetzt der Fall.
Dadurch
und in Verbindung mit dem größeren Schiffsverkehrsaufkommen
wird die Flussfauna weiter dezimiert, auch
unterhalb des Damms. Der Yangtze-Flussdelfin
wurde im Dezember 2006 offiziell für ausgestorben
erklärt, der einheimische Tümmler wird
wohl bald ebenso verschwunden sein. Heute
gibt es schätzungsweise nur noch 1400 dieser
selten gewordenen Tiere, halb so viele
wie noch vor zehn Jahren. Ebenfalls vom
Aussterben bedroht sind der Chinesische
Alligator, der Chinesische Paddelfisch
und andere Wasserbewohner. Es entbehrt
nicht einer gewissen Ironie, dass die bislang
höchste und dauerhafteste Überschwemmung
des Yangtze Menschenwerk ist.