Die
Idee zu HOME hatte ich beim Fahren auf der Autobahn. Häuserzeilen
zogen an den Autofenstern vorbei, ich habe Menschen in Gärten
gesehen oder an Plastiktischen sitzend. Und immer wieder erblickte
ich leerstehende Gebäude mit zugemauerten Fenstern. Es war, als
würden mir alle diese Gebäude, die an mir vorbeizogen, Geschichten
erzählen. Die Straße ist quasi eine Metapher der Welt, die ins
Leben der Familie drängt (eine lärmige, gefährliche, verpestete,
fast blutsaugerisch-bedrohliche Welt). Die Eröffnung der Autobahn
wirkt auch wie eine Lupe, unter der man die Funktionsdefekte
und Mängel der Familie klarer erkennt und ortet. Obwohl die Lebensumstände
immer unhaltbarer werden, versuchen die Familienmitglieder, die
Lage individuell in den Griff zu bekommen. Es gibt zwischen ihnen
eine Art stillschweigenden Pakt, sie wollen in ihrem Haus bleiben,
die familiäre Harmonie unter allen Umständen bewahren. |
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Die
Kombination von Abgrenzung gegen Außen und Schulterschluss
im Innern führt zu sonderbaren Glücksmomenten, aus denen die
Familie Kraft für den Kampf gegen die Unbill der Autobahn schöpft.
Doch fragt man sich zunehmend, ob die Verbissenheit im Ausharren
nicht für alle die größere Gefahr darstellt als die Autobahn.
Um die Einheit und den Zusammenhalt der Familie zu sichern,
behält jede Person ihre Leiden für sich, taucht ins Ich ab,
versinkt in den trüben Zonen des eigenen Wahnsinns. Die Lebenssituation
am Rande der immer feindlicheren Autobahn wird nicht als Problem,
gegen das man etwas unternehmen könnte, betrachtet, sondern
als unvermeidliche Tatsache, mit der es sich zu arrangieren
gilt. Der Zuschauer ist also mit dem unvermeidbaren Willen
zu permanenten Anpassungsversuchen an die Lebensumstände konfrontiert.
Ursula Meier |