Ich
glaube das wir ein ungeheuer starkes Fernsehen haben
und aus dem Grund ein schwaches Kino.
MMM Wie wird dein neuer Film heißen?
CP Der TOTE MANN. Es ist eine Auftragsproduktion,
d.h. die gesamten Mittel kommen vom ZDF. Die geben
den Auftrag einer Produktionsfirma, bei diesem Film
ist es Teamworks von Nico Hoffmann und Bettina Reitz.
Mit Bettina Reitz verbindet mich eine lange Freundschaft
und ich habe mit ihr schon mal einen Film gemacht.
MMM Ist der
TOTE MANN nach der INNEREN SICHERHEIT bewusst
ein Fernsehfilm geworden ?
CP Es war nicht ganz zufällig wenn ich
ehrlich bin. Die Finanzierung der Inneren Sicherheit
war eigentlich eine einzige Tragödie, weil es
fast drei Jahre gedauert hat. Ich hatte nicht
vor das ein weiteres Mal zu erleben, obwohl das
mit dem Filmpreis schneller gegangen wäre. Ich
habe schon während des Schnitts zur inneren Sicherheit
das Drehbuch...
MMM Wofür es
ja ein Schnittpreis gab...
CP ...das Projekt zum toten Mann angeschoben,
wie man es in der jämmerlichen Managersprache so
schön nennt Man kann es ja so unterscheiden, da
es kein Kino in der Bundesrepublik gibt, haben
bestimmte Filme einfach keine Produktionsumgebung.
Die sind völlig alleine gelassen und diese unglaubliche
Einsamkeit der Filme strahlt auch auf die Produktionsverhältnisse
dieser Filme ab. Wir waren rund um die Produktion
der inneren Sicherheit sehr einsam. Mich interessieren
Bankräuber, Seitensprünge oder Menschen die aus
Ihrer Bourgeoisieklasse ausbrechen, wie in frühen
Chabrolfilmen. Diese Sachen gibt es im deutschen
Kino nicht mehr, das ist alles ins Fernsehen gerutscht.
So habe ich die Umgebung des Fernsehens gesucht,
da wo die Filme noch teilweise aufgehoben sind.
MMM Woran liegt
es, das Filme wie DER SCHUH DES MANITU in Deutschland
großen Erfolg haben. Filme wie AMÉLIE aber
in Deutschland so gut wie nicht produziert werden.
Traut sich hier keiner an solche Stoffe ran?
CP AMÉLIE hat auch was mit Paris
zu tun und es gibt in Frankreich jedes Jahr viele
Filme, die ihre gesamte Kraft aus der Stadtgeschichte
von Paris beziehen und so eine Stadt haben wir
in Deutschland nicht mehr.
MMM Auch nicht
Berlin?
CP Da muss man noch dran arbeiten. Wir leben
seit zwölf Jahren in einer wiedervereinigten Stadt
und alle Filme die in Berlin spielen haben ihre
Referenz in den achtziger Jahren. FEUER UND FLAMME
oder DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE sind überwiegend
Filme die etwas mit den achtziger zu tun haben,
und nicht in dem heutigen Berlin spielen. Und in
LOLA RENNT laufen sie ja nur durch pittoreske Ansichtskarten
und der Film hat mit der Stadt eigentlich gar nichts
zu tun. Ein weiterer Grund ist bestimmt das eine
gewisse Leichtigkeit mit der Vernichtung des deutschen
Judentums abhanden gekommen ist und drittens glaube
ich das wir ein ungeheuer starkes Fernsehen haben
und aus dem Grund ein schwaches Kino.
MMM Gibt es
Menschen mit denen du gerne arbeitest oder auch
eine Gruppe mit der du von Produktion zu Produktion
ziehst?
CP Wenn man sich die Credits im Abspann
anschaut dann sind sie eigentlich seit dem ersten
abendfüllenden Film bis auf ein paar Leute identisch.
Die Regieassistenten bleiben oft nur für ein, zwei
Filme. Dann wollen Sie eigene Filme machen oder
man hat sich verkracht. Ich habe auch im Laufe
der Zeit, wie es John Ford genannt hat eine Stock-Company
d.h. eine Gruppe von festen Schauspielern. Es kommen
zwar immer wieder neue hinzu und andere tauchen
dann längere Zeit nicht auf, aber das hängt nicht
mit denen zusammen. Ich habe mit allen Schauspielern
noch heute ein gutes Verhältnis, und schreibe auch
richtige Sachen für diese Schauspieler/innen.
MMM Würdest
du sagen das du Autorenfilme machst. Drehbuch und
Regie sind bei deinen Filmen immer identisch?
CP Ich schreibe mit Harun Farocki jedes
Buch zusammen. Wir sind seit Mitte der achtziger
Jahre ganz eng befreundet, Er war früher mein Dozent
und Mitfußballer bei Tasmania.
Autorenfilm war ja eine Politik Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre.
Die haben damals im völlig entfremdeten Kino des Hollywoodstudiosystems Handschriften
entdeckt. Z.B. Hitchcock, der unter knallharten Produktionsbedingungen geschafft
hat, einem Film einen ganz besonderen Stil zu geben. Das ging in die Autorentheorie
ein. Die Politik der Autorenfilmer war, das man in der gesamten Arbeit an dem
Film, bis zum Feinschnitt, die Autonomie behält. Und die habe ich immer. Aus
dem Grund allein bin ich wohl Autorenfilmer. Ich glaube, das ist meine Referenz
an das Nouvelle Vague Kino.
MMM Gibt es Autoren
die sich dennoch an dich als Regisseur wenden?
CP Das Problem ist, das ich unheimlich gerne schreibe
MMM Man hat also keine Chance dir ein Script
zuzuschicken?
CP Das was ich nicht gerne sehen würde, kann ich
auch nicht verarbeiten. Büchern die ich zugeschickt bekommen
habe, lese ich zum Teil. Nur die umzuarbeiten macht mehr
Arbeit, als selbst eins zu schreiben.
MMM Es ist wahrscheinlich
einfacher seine eigenen Ideen umzusetzen?
CP Ich bewerbe mich ja nicht mit meinen Drehbüchern.
Höchstens bei mir selber. Ich schreibe ein Drehbuch wie ein
Architekt, der ein Haus baut. Manchmal wünsche ich aber trotzdem,
das man ein tolles Buch hat, was man nicht selber geschrieben
hat.
MMM Gibt es
den Kick wo du sagst daraus lässt sich was machen?
CP Ich habe das mal versucht zu überlegen.
Alle Regisseure und Regisseurinnen können immer
so unheimlich gut erklären wann dieser Kick da
war. Genauso wenig wie man sagen kann wann habt
ihr euch für das Kind entschieden. Das gibt es
doch nicht. Die Ursachen sind doch meistens sehr
komplex. Ich habe manchmal nachträglich für irgendwelche
Pressemappen die Kicks erfunden.Meistens habe ich
mit was ganz anderen angefangen und das hat sich
dann so entwickelt.
MMM Recherchiert
du alleine für deine Filme?
CP Ich recherchiere nicht viel. Es gibt
da verschiedene Herangehensweisen, Freunde von
mir haben ganze Zettelkästen zu Hause und es dauert
unglaublich lange, ein, zwei Jahre. Ich recherchiere
eher ohne Ziel. Ich weiss noch bei der inneren
Sicherheit hatte ich eine Geschichte, die mich
als Kind schwer beeindruckt hat. Eine Geschichte
von Alfred Andersch, SS-Offiziere die im Grenzgebiet
von Deutschland als Untote weiterlebten und dort
zu Schmugglern wurden. Das waren Schattenwesen
die in alten Bunker rumliefen. Dann waren da noch
Seefahrer und ein Schiffbruche und irgendwie in
diesem Gespensterzeug kam der Film von Kathrin
Biggelow.
Dann habe ich auf dem Seminar von Harun von dem Text von Andersch erzählt von
den Untoten, die anders sind als die Untoten bei uns in der deutschen Mythologie.
In der geht es immer darum sich in Bergen aufzuhalten oder eingegraben zu sein.
In den USA spielt es immer in Wüsten und Weiten. Der deutsche Terrorismus hat
mit solchen Erscheinungen zu tun. Das war 1993, als ich darüber nachgedacht habe.
Aber ich wollte daraus keinen Film machen, sonder ich habe ein Essay darüber
geschrieben. Daraus ist dann irgendwann mal ein Exposee entstanden. 1995 habe
ich es eingereicht und bekam dafür auch eine Förderung und konnte damit die Familie
wieder ein halbes Jahr ernähren.
MMM Der Film ist 1995
entwickelt worden. Im Jahre 2001 steht er plötzlich neben
anderen Filmen, die sich um die RAF drehen und erscheint
unheimlich aktuell. Gehört man dann plötzlich zu einer
Gruppe Künstlern, die Bescheid wissen was angesagt ist?
CP Es gibt von Walter Benjamin ein Text, da geht es
um den Surrealismus. Er beschreibt folgendes: In Europa werden
an sieben Stellen gleichzeitig eine Bombe gezündet, obwohl
die Leute alle nichts voneinander wissen. Es gibt Korrespondenzen
die sich unseren Medien entziehen. Eine Art und Weise von
Wahrnehmung verschiedener Menschen die gar nichts voneinander
wissen und es dann zeitgleich zur Realisierung kommt. Im
Kino sind die Gefühle sehr viel langsamer als im Fernsehen
Eine andere Art von Zeitlichkeit. Das Kino steht nicht so
unter Aktualitätsdruck. Das Fernsehen verbrennt seine Aktualitäten
sofort.
MMM CNN ist
zur Zeit der wohl schnellste Verbrennungsmotor
in Sachen Nachrichten...
Wenn man jetzt
in eine Suchmaschine den Begriff innere Sicherheit eingibt
dann...
CP ... hat man ganz schön viele Treffer
MMM Aber die
wenigsten davon gehen deinen Film an
CP das war vor einen halben Jahr noch anders.
MMM Wir haben
es heute mal gemacht und der erste Link war: "Atomanlagen
kaum noch gegen Terror geschützt" und so geht es
dann weiter. Die Innere Sicherheit ist ein inflationär
gebrauchter Begriff geworden.
CP Für mich war der Begriff innere Sicherheit
eigentlich ein Begriff aus der Vergangenheit. Ich
bin wohl auch dem Glauben aufgesessen, das der
Begriff irgendwann mal sterben wird, dass sich
eine andere Form von offenem Staat ergibt. Aber
im Angesicht des entsetzlichen Aktes am 11.September
wird wohl die ganze Mottenkiste der Nachkriegspolitik
und Symbolik aufgewärmt. Deshalb bleibt der Begriff
innere Sicherheit doch eher ein nostalgischer Begriff.
Ich habe lange beim ersten Verleih um den Titel
kämpfen müssen, aber die sind dann Konkurs gegangen.
Der Film war dann kurz davor eingestampft zu werden.
Zum Glück fand sich dann jemand der uns aus dem
Vertrag ausgelöst hat.
MMM wir bedanken uns für das Gespräch |