Unsichere Beobachter sprachen in Venedig von einem „Medienkrieg”, fragten: Ist „I'm Still Here” ein übler PR-Gag, eine provokante Lüge, dem das Festival auch noch den roten Teppich ausgerollt hat? Internetforen diskutierten. Die Wahrheit werde ans Licht kommen, hörte man. Aber was war an alldem überhaupt wahr? Genauer: Was heißt hier „wahr”? Was heißt überhaupt Wahrheit, und wie wahrhaft muss Kunst sein? Welchen Sinn macht die Frage „Echt oder fake?” noch in Zeiten, in denen „das Leben ein Kunstwerk” (Foucault) geworden ist? Und in denen umgekehrt die Starpersona zunehmend den Menschen dahinter infiziert, die Fiktion sich der Wirklichkeit bemächtigt. Kann man, wenn man in der Öffentlichkeit Brad Pitt ist, privat überhaupt noch ein anderer Brad Pitt sein? Es geht also um die Frage nach der Realität. Das ist sowieso schon eine komplizierte philosophische Frage. Und weil man gemeinhin davon ausgeht, das Realität einerseits das ist, was man sieht, und andererseits gerade das nicht ist, was man auf der Leinwand sieht, wird es richtig kompliziert. Von Anfang an war Phoenix' Rückzug aus seiner |
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bisherigen Star-Persona daher von der Frage begleitetet, ob es sich hier nicht um einen besonders elaborierten „Hoax” handle, in dem Phoenix die Schattenseiten und die Charakterlosigkeit des Show-Betriebs bloßstellen wollte.
Und Afflecks Film selbst ein Bestandteil dieses Projekts. Nur eine gute Woche später war alles klar: Casey Affleck gab in der „New York Times” zu, das Ganze sei tatsächlich nur gestellt gewesen. Um einen bloßen Scherz, einen „Hoax”, handle es sich nun aber keineswegs betonte Affleck im gleichen Interview, sondern um ein Stück Performance- Kunst. Und natürlich um einen Film, der eine Geschichte erzählen wollte und die sich vor allem auf diese Weise einzig erzählen ließ. Und da die Dreharbeiten sich über zwei Jahre hingezogen haben, ist auch klar, dass „I'm Still Here” Fragen aufwirft, die weit über den Film hinaus Gültigkeit haben und behalten. Und das nicht allein deshalb, weil so viele der Aktion derart bereitwillig auf den Leim gegangen sind. |