Tabus zu brechen, interessiert mich nicht. Allerdings verschont einen das Leben selbst wohl eine Zeit lang mit bestimmten Dingen, das wäre dann eine Art positives Tabu. Mein Vater ist vor zehn Jahren gestorben, auch an einem Hirntumor. Aber sonst ist mir der Tod – vielleicht meiner Generation der jetzt bald Fünfzigjährigen – noch nicht allzu taktlos nahe getreten. Doch plötzlich häuften sich die Todesfälle in den Familien meines Freundeskreises. Er schien also näherzukommen. Mag sein, ich hatte auch eine besondere Empfänglichkeit dafür, weil es mir gerade nicht sehr gut ging. Doch der Punkt ist, dass es eine Gemeinsamkeit in all diesen Berichten gab: Irgendwann, das sagten fast alle, gab es da einen Moment, der beinahe schön gewesen ist, voller Frieden. Eigentlich war es der Moment des Sterbens selbst. Dieses Haus zu finden, war fast genauso schwer, wie ein Tumor-Interview bei Harald Schmidt zu |
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bekommen. Es durfte nicht zu groß, schon gar nicht protzig sein, denn man sollte jederzeit sehen: Hier haben sich kleine Leute einen Lebenstraum erfüllt und der andere dann allein den Kredit abzahlen muss, was er nicht kann. Und worin dann ohnehin einer fehlen wird, so dass der Haustraum Alptraumqualitäten bekommt. Ich kenne solche Geschichten aus unseren Recherchen. Das ist es!, wussten wir sofort, als wir es sahen. Für einen Film, der zu achtzig Prozent in Innenräumen spielt, war dieser Ausblick die Rettung. Dieser Blick auf die Wiese und diesen Baum, der aussieht wie ein Gehirn. Und das Bett der beiden steht davor, vor dieser Weite, und nun wird alles um sie immer enger ... Wir meldeten uns beim Makler, und der verabredete mit dem potentiellen Käufer, dass der eben etwas später einzieht. Andreas Dresen |