Die Geschichte von Pelin in ABGEBRANNT trage ich schon einige Jahre mit mir herum. Angefangen hat sie auf einem Spielplatz in Berlin-Wedding, auf dem ich eine sehr junge Frau mit drei Kindern beobachtete, die, während ihre Kinder spielten, nervös rauchte und ständig mit dem Handy telefonierte. Irgendwann kamen drei Typen, setzten sich neben sie und versuchten, sie zu irgendeiner Handlung zu überreden. Ich bereue immer noch ein bißchen, dass ich damals nicht nachgefragt habe, ob ich ihr irgendwie helfen kann. Die Situation schien bedrohlich und die Frau hoffnungslos überfordert. Ich fing dann an, die Gegend um das Berliner Brunnenviertel zu erkunden und stellte fest, dass dies ein sehr besonderes Viertel ist: Im Gegensatz zu Kreuzberg, das noch durchmischt ist von Alternativszene und ganz normaler, scheint dort die Isolation der so genannten „Unterschicht“ ziemlich fortgeschritten. Hilflos versucht man, die Gegend mit irgendwelchen Designwettbewerben aufzuwerten, deren Preis eine stark vergünstigte Gewerbemiete im Viertel ist. Doch die Läden bleiben meist leer. Die Jugendämter haben aktenweise Fälle von Kindesverwahrlosung vorliegen. Und so eine wie Pelin, die weder Support durch die Familie oder ihre „Sippe“ hat, kommentierte ein Sozialarbeiter meine Geschichte, ist schlicht und einfach schutzlos. Aus dem Teufelskreis von „romantischem“ Kinderkriegen, Schuldenanhäufen en masse und sozialer Isolation |
 |
kommt so eine Frau wohl nur selten heraus, geschweige denn ihre Kinder. Pelin ist mit ihren Kindern allein - ihre Hilfsbedürftigkeit verhindert letztendlich auch Freundschaften, denn wer will schon mehr geben als nehmen? Und dann, wenn man am Aldi der Brunnenstrasse vorbei zurück Richtung Mitte fährt, entlang der schicken Galerien und Designläden, verdrängt man das Bild schnell wieder. So entsprang die Idee zu Pelin, die aus Wedding in eine Gegend katapultiert wird, die an der Oberfläche erst mal Reichtum, Wohlstand und Sauberkeit ausstrahlt: ans Meer. Und auch die Mutter-Kind-Kur als „Planet der Frauen“, an dem sozial schwache Mütter mit ihren Kindern aus allen Teilen Deutschlands zusammenkommen, deren isolierte Schicksale sich plötzlich kreuzen. Eine Geschichte über die Ambivalenz des deutschen Sozialsystems. Eine Hommage an den Vater Staat, der nicht nur Schulen und Autobahnen finanziert, sondern auch Mutter- Kind-Kuren, Arbeitslosengelder und Sozialarbeiterinnen, die nach dem Rechten sehen. ABGEBRANNT ist in seinem Herzen die „Coming of Age“ - Geschichte einer unreifen Mutter, die eigentlich selbst noch gar nicht richtig auf ihren beiden Beinen zu stehen gelernt hat, aber dies ihren Kindern beibringen muss. Eines erwachsenen Kindes, das sich nach Gleichgewicht sehnt, um endlich die Stützräder abschrauben zu können. Ein Genrecrossover. Verena S. Freytag |