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Ursprünglich wollte ich einen Film über männliche Fragilität machen. Bisher hatte ich zahlreiche starke Frauenfiguren auf die Leinwand gebracht. Diesmal wollte ich den Fokus auf Männer legen, die sichtbar leiden und Emotionen zeigen, also Eigenschaften, die sonst eher dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden. Deshalb hatte ich als Titel zunächst an „Der weinende Mann“ gedacht. In dieser Phase bin ich dann auf den aktuellen Fall Preynat gestoßen. Auf der Website der Opfer, La Parole Liberée (Das gebrochene Schweigen), las ich Aussagen von Männern, die als Kinder und Jugendliche Missbrauchsopfer der katholischen Kirche waren. Besonders berührt hat mich Alexandre, ein streng gläubiger Katholik, der berichtet, wie er bis zum Alter von 40 Jahren schweigend mit sich gerungen hat, um dann endlich seine Geschichte erzählen zu können. Auf der Website fand ich Interviews, Artikel sowie die E-Mail-Korrespondenz zwischen Alexandre und hohen Amtsträgern der katholischen Kirche von Lyon, wie Kardinal Barbarin und Regine Maire, der Kirchenpsychologin, die für die Unterstützung der Opfer von Priestern zuständig ist. All diese Dokumente haben mich sehr bewegt, und ich habe Alexandre kontaktiert.
Da fast alles hier auf Worten aufbaut, benötigten wir ab einem gewissen Punkt Bilder, die konkret die Gewalt verkörpern, die diese Männer als Kinder erlebt haben. Für jeden von ihnen wollte ich eine Rückblende, in der fast nichts zu sehen ist – ein Weg; eine Tür, die sich öffnet; ein Zelt, das sich schließt – , aber in Sekunden alle Bilder im Kopf auslöst, durch die Orte, das Licht … Wir kennen die Fakten, sie wurden klar benannt. Jetzt ist es der Zuschauer, der sich sein eigenes Bild von dem suggerierten Horror macht. François hat die einzige Rückblende mit Dialog. Am schmerzhaftesten für ihn war nicht so sehr, was Preynat ihm angetan hat, sondern die Mitteilung seiner Eltern, dass Preynat möglicherweise ins Gefängnis muss. Dafür wollte er als kleiner Junge nicht verantwortlich sein. François Ozon / Regie |