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Als ich als junger Mensch mit dem Schreiben begann, schickte ich meine Geschichten einem italienischen Intellektuellen, den ich sehr verehrte. Ich schickte sie in gedruckter Form, als Brief. Und er antwortete mir mit einem Brief, den ich aufbewahrt habe: „Du schreibst gut, aber du schreibst über läppischen Mist. Ich habe deine Adresse gesehen – mach das Fenster auf, schau auf die Straße und kommentiere das, was du da draußen siehst.“ Das tat ich und fing an, über das organisierte Verbrechen zu schreiben. Aber nicht, weil es das Einzige war, was ich beim Blick aus dem Fenster sah - sondern weil es vielleicht das Einzige war, was man nicht mit bloßem Augen sehen konnte, was aber trotzdem jeden Bereich des Lebens durchdrang – und nicht nur das Leben der Menschen, die in bestimmten Provinzen in Süditalien leben.
Ich war sicherlich nicht der erste, der das Thema Kriminalität in seinen Texten beleuchtetet - aber mein Blick darauf war definitiv neu, weil ich versuchte, nicht bloß Berichterstatter zu sein, nicht steril und neutral zu beschreiben, sondern mit einer gewissen Empathie die Geschichten von Gegenden zu erzählen, die sehr unter der Macht der Camorra-Clans und ihrer Bossen leiden. Dabei handelt es sich um Menschen, die nicht anders waren und sind, als wir. Es ging darum, zu verstehen, dass man das organisierte Verbrechen nicht nur an Pistolen und dem Gerede über die eigene Ehre festmachen kann - sondern vor allem am Geld, am Geld und nochmals am Geld.
Plötzlich beschuldigte man mich, mit meinen Büchern meine eigene Heimat und außerdem noch Norditalien, Spanien, Frankreich und Deutschland in den Schmutz zu ziehen. Der Verantwortliche ist nämlich nie derjenige, der das Feuer legt, sondern der, der es löscht und dadurch die Ruinen sichtbar macht, die das Feuer hinterlässt. In diesem Klima des Hasses entstand mein Roman Der Clan der Kinder. Ich schrieb ihn inmitten einer Umgebung, in der man trotz der Gewalt auf den Straßen, trotz vieler Morde, Verhaftungen und Gerichtsurteile nicht zugeben wollte, dass das Alter der Mitglieder der Camorra-Clans in den Gassen Neapels dramatisch gesunken war.
Die alten Familienstrukturen wurden durch eine neue, junge Generation, die sich im Bereich der organisierten Kriminalität bewegte, an den Rand gedrängt. Und die hatten nur ein Ziel: Schnell zu viel Geld kommen, damit sie über die Stadt herrschen konnten. Um an dieses Geld und die damit verbundene Macht zu gelangen, war ihnen jedes Mittel recht. DREHBUCHAUTOR UND PRODUZENT ROBERTO SAVIANO |